Wissen und Erfahrung

Kastration


Kastration: Ja oder Nein?

Es gab schon immer pro und contra Einstellung zum Thema Kastration beim Hund. Die Kastration ist der einzige chirurgische Eingriff, der in Deutschland ohne einer direkt bestehenden medizinischen Indikation durchgeführt werden darf. Viele Hundefreunde und Pseudoprofis die gegen Kastration sich aussprechen, nennen als Hauptgrund für ihre Einstellung die Natur, die den Hund so wie er ist geschaffen hat. Das lässt sich auch nicht leugnen. Viele äußerungen, die ich gehört habe sind: "wie wird mein Hund aussehen! das geht ja nicht!".

Nun die Frage, die ich hier stelle ist: Hat die Natur die Hoden beim Rüden erschaffen, damit der Besitzer die Wertigkeit eines Rüden daran messen darf? Zur Information für die Leute, die aus welchem Grund auch immer selbst nicht hinter die offensichtliche Fakten kommen:

  • Hoden und Eierstöcke sind Geschlechtsdrüsen, die eine sehr wichtige Rolle im Körper spielen. Sie Produzieren Zellen ( Eizellen bzw. Spermien), die der Fortpflanzung dienen und das Bestehen der Art gewährleisten.
  • Hoden und Eierstöcke sind Drüsen, die Hormone produzieren, die in erster Linie das sexuelle und soziale Verhalten der Tiere steuern.

Unter Berücksichtigung dessen, frage ich mich warum die "Naturbefürworter" zum Thema Kastration beim Hund, diese Fakten auslassen und dem eigenem Hund/Hündin nicht die Möglichkeit geben die Natur, für die sie so vehement stehen ausleben zu dürfen. Dazu gehört ein Leben im Rudel mit Artgenossen und die dazu gehörende Folgen des Sozial- und Sexualverhaltens. Das wäre natürlich!

Selbstverständlich so geht es nicht. Wir wären dann nicht mehr in der Lage die unkontrollierbare Hundeflut in Griff zu bekommen.

Manche Menschen (auch Tierärzte) äußern mit aller Ernsthaftigkeit die Meinung, dass es ausreicht und gesund sei wenn die Hündin "mal Welpen bekommen soll" oder der Rüde "mal decken soll" dann werden sie damit glücklich. Wer wird glücklich? Der Hundebesitzer? Der Rüde, der das ganze Jahr über im Wechsel von der einen oder anderen läufigen Hündin mit ihren Sexualpheromonen stimuliert wird und es mal ausprobieren dürfte? Die Hündin, die nur ein mal geworfen hat und danach ihr Körper noch intensiver auf die Duftsignale anderer läufiger bzw. tragender Artgenossen reagiert?

Bei Rüden ist solche Stimulation mit der Prostataschwellung verbunden, die statistisch nach dem 7-8 Lebensjahr bei min 80% aller Rüden zu zuerst gutartigen Vergrößerung führt. Probleme die dadurch entstehen sind ein schmerzhafter Stuhlgang, blutige Prostataentzündung, die häufig auf die Harnblase absteigt. Prostatakarzinome sind zum Glück relativ selten. ältere Männer sind die einzigen Hundebesitzer, die zu diesem Thema keine weiteren Erläuterungen benötigen :)

Anders ist es bei nicht kastrierten Hündinnen. Heutzutage wird die Mehrzahl dieser Hündinnen nach fast jeder Läufigkeit scheinträchtig. Die Lactatio falsa ( Scheinträchtigkeit) ist selbst kein pathologischer Prozess. Auch in der freien Wildbahn bekommt die eine oder andere im Rudel untergeordnete Hündin Milch im Gesäuge, während nur die Alphahündin tragend ist. Diese Hündinnen fungieren häufig als Ammen und ziehen die Welpen der anderer mit auf. Nun, da unsere Hündinnen zu Hause die Möglichkeiten der natürlichen Verhaltensweisen nicht haben aber trotzdem scheinträchtig werden, führt es immer häufiger zur Entstehung von Verkalkungsherden und nachfolgend Knoten im Gesäuge. Die werden bei einer Großzahl der Fälle nach dem 8 Lebensjahr zu bösartigen Tumoren. übrigens: Gesäugekrebs der Hündinnen stellt den größten Teil aller Krebsarten bei Hunden dar, unabhängig vom Geschlecht und Rasse, die in den tierärztlichen Praxen behandelt werden.

Kastration: Wann?

Wenn die Frage "ob" geklärt ist, stellen viele eine andere: wann sollte man kastrieren? Hier gibt es min. zwei Lager. Die einen befürworten die sog. "Frühkastration", die im Alter von 3-4 Monaten durchgeführt wird. Die anderen sagen, dass z.B. die Hündin einmal läufig und der Rüde min. 1 Jahr alt werden soll.

Der "Frühkastration" mit 3-4 Monaten kann ich persönlich nichts abgewinnen. Es ist meine ganz private Meinung, die ich nicht mit medizinischen Argumenten untermauern möchte. Ich sehe ungern "kleine Kinder" auf dem OP Tisch wenn es nicht zwingend notwendig sei. Der Einstellung, dass eine Hündin für ihre Entwicklung einmal läufig werden soll kann ich ebenso wenig abgewinnen. Heutzutage werden immer mehr Hündinnen schon nach der ersten Läufigkeit scheinschwanger was zur Aktivierung des Gesäuges und zur Milchanbildung führt. Für mich soll eine Kastration bei der Hündin nicht nur die Möglichkeit einer ungewollten Trächtigkeit ausschließen. Viel wichtiger ist das Verringern des Risikos der Entwicklung von Metropathien ( entzündliche bzw. tumoröse Gebärmutterveränderungen) und von Mammopathien ( entzündliche bzw. tumoröse Gesäugeveränderungen ). Bei Hündinnen, die schon läufig gewesen sind, wurde die Gebärmutter- und ev. auch das Gesäuge hormonell aktiviert, was die spätere Entstehung der erwähnten Probleme begünstigen kann. Wenn dagegen die Hündin noch vor der ersten Läufigkeit kastriert wurde hinterlässt man jungfräuliches und inaktives Gewebe des Gesäuges und der Gebärmutter was die Wahrscheinlichkeit späterer Erkrankungen erheblich minimiert. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage wann der optimale Zeitpunkt für die Kastration einer Hündin vorliegt. Meiner Meinung nach ist es der Zeitraum zwischen dem 6-ten und 7-ten Lebensmonat. In diesem Zeitraum ist der Zahnwechsel vollzogen und die Wachstumsfugen an allen langen Knochen werden endgültig geschlossen. Sicherlich kann ein Teil der Hündinnen ( vor allem der kleinen Rassen ) bis zu diesem Zeitpunkt schon läufig gewesen sein. Bei dieser kleinen Gruppe habe ich keine andere Wahl und führe ich die Kastration 2-3 Monate nach dieser ersten Läufigkeit durch.

Kastration bei der Hündin: unerwünschte Folgen

Die bekannteste Kastrationsfolge ist Fettleibigkeit. Es liegt an zwei Veränderungen. Die eine ist in den meisten Fällen deutliche Appetitsteigerung, die andere ist die Stoffwechselumstellung, die dazu führt, dass die Hunde schneller und einfacher "Reserven ansetzen". Nun die Fettleibigkeit ist nie die alleinige Folge der Kastration. Die Hunde können weder das Futter kaufen noch es aus dem Schrank holen. Hier sind die Besitzer mit gesundem Menschenverstand gefragt. Futterrationierung und körperliche Aktivitäten machen es möglich, dass viele kastrierte Hunde das Alter jenseits 10 Jahren gesund und schlank erreichen. Dafür gibt es genug Beispiele.

Weitere bekannte Folgen im Bezug auf Kastration einer Hündinnen sind Harninkontinenz und Steigerung der Aggressivität.

Die Harninkontinenz ist eine Folge von Blasenschließmuskelschwäche. Die kann in diesem Fall durch das Fehlen der östrogene (weibl. Hormone) verursacht werden. Warum jedoch sich die Inkontinenz in den meisten Fällen erst 1 bis sogar 5 Jahre nach der OP entwickelt bleibt ungeklärt.

Das Einzige was feststeht ist, dass bei Hündinnen die vor der ersten Läufigkeit kastriert wurden, das Risiko für Inkontinenz sich um 50% reduziert ( Quelle: I.M. Reichler, Klinik für Fortpflanzungsmedizin der Universität Zürich, Sep. 2009). In meiner Praxis hatte ich in den letzten 8 Jahren zwei Hündinnen, die trotzt der Kastration vor der ersten Läufigkeit eine Harninkontinenz entwickelten. Es bestätigt nur, dass man hier keine Garantien geben darf jedoch die Anzahl der betroffenen bewegt sich im Promillebereich. Für Ihre Fragen zu dem Thema Kastrationsfolgen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Rufen Sie bei uns an und lassen Sie sich einen Termin geben.